Klaus und die Sache mit den Ski

Klaus und die Sache mit den Ski

Klaus Dursch will die perfekten Ski, doch mit Fertigware gab er sich noch nie zufrieden. Also baut er sie sich selbst, aus Holz, Harz und mit einer Hochdruckpresse. Und verziert die Bretter mit kunstvollen Intarsien. Dutzende hat er inzwischen gebaut. Und genug hat er noch lange nicht.

Ein sauberer, konzentrierter Schnitt. Klaus Dursch fährt mit dem Messer um die Sperrholz-Schablone, die er auf einer Platte aus schwarzem Polyethylen befestigt hat. „Ich verwende nur gesinterte – also besonders robuste – Rennbeläge in einer Stärke von 1,4 oder 1,8 Millimetern“, erklärt Klaus. Dann konzentriert er sich wieder auf seine Arbeit. Ein Schnitzer jetzt wäre ärgerlich. Denn der Belag ist die Basis seines nächsten Projekts. Und das nächste Projekt ist immer ein Paar Ski.

Klaus Dursch schneidet mit Hilfe einer Schablone die Lauffläche des Skis zu.
Konzentration: Klaus Dursch schneidet mit Hilfe einer Schablone die Lauffläche des Skis zu.

Bretter, die die Welt bedeuten

Klaus ist ein „Skiverrückter“, das sagt er selbst von sich. Schon Mitte Oktober hat der 56-Jährige seine Saison eröffnet, auf dem Pitztaler Gletscher in Tirol. Nun steht er in seiner Werkstatt in Blaubeuren-Asch, circa 15 Kilometer westlich von Ulm, und macht sich an den Bau seiner nächsten Ski. An der Werkstattwand stehen sie Spalier: Die Bretter, die für Klaus die Welt bedeuten. Ein Dutzend Paar sind es inzwischen, allesamt Marke Eigenbau. Und ein neues Paar kommt gerade dazu.

Auswahl von Klaus’ Ski mit Holzdekor an eine Holzwand gelehnt.
Schatzkammer: Eine Auswahl von Klaus Ski mit Holzdekor.

Die beiden Beläge sind nun zugeschnitten. Zeit für den nächsten Arbeitsschritt: das Biegen und Anbringen der Stahlkanten. „Wichtig ist, dass die Kante exakt zur Kontur des Belags passt“, erklärt Klaus. Er bekommt die Stahlkanten als gerade Stücke geliefert. Sein nächster Ski aber wird eine Taillierung haben und eine halbrunde Schaufel. Da müssen also Kurven rein.

Mit fester Hand und einem selbstgebauten Biegewerkzeug passt Klaus die Kante an die Form des Belags an. Noch etwas mit der Zange nachhelfen. Dann klebt er die Stahlkanten provisorisch mit Sekundenkleber an die Laufflächen und fixiert sie zum Trocknen mit Klammern. Den finalen Halt werden sie beim Laminieren später bekommen.

Klaus biegt mit der Zange die Stahlkanten zurecht, eine Lauffläche mit Klammern.
Schweißarbeit: Mit der Zange die Stahlkanten in Form bringen und mit Klammern an der Lauffläche fixieren.

Bis zu 13 Lagen Material

Klaus fertigt in der sogenannten Sandwichbauweise. Bis zu 13 Lagen stapelt er pro Ski und verklebt sie mit Epoxidharz. Vom Belag über den Holzkern, diverse Gewebe aus Glasfaser, Carbon oder Kevlar bis hinauf zum Dekor. Die genaue Komposition hängt nicht zuletzt vom gewünschten Charakter und vom Einsatzbereich ab. „Auf der Piste brauchst du einen laufruhigen Ski mit gutem Kantengriff. Der bekommt dann zum Beispiel eine Titanalverstärkung“, erklärt Klaus. „Abseits der Piste soll der Ski weicher sein, damit sich die Schaufel im Tiefschnee hoch wühlt und du genügend Auftrieb hast.“ Auch die Breite des Skis ist entscheidend für das Aufschwimmen.

Als ich meinen ersten eigenen Ski ausprobierte, und der ging super, da war's um mich geschehen. Da wollte ich immer weiter.“

Klaus Dursch

Klaus experimentiert ständig mit den Materialien – und hat dabei auch Lehrgeld bezahlt: „Einmal habe ich zu viele neue Sachen reingepackt. Der Ski war überdämpft und hat nicht richtig angesprochen – wie Spiel in der Lenkung. Wenn du einen Schwung einleiten wolltest, ist erst nichts passiert. Und plötzlich kam‘s ruckartig.“ Doch daraus wurde Klaus nur klüger. Und im Laufe der Jahre auch schneller. In sein erstes Paar Ski hat er circa 200 Arbeitsstunden gesteckt. Jetzt braucht er um die 40. Plus Materialkosten von 200 bis 500 Euro.

Das Herz eines Skis ist sein Holzkern. Dabei schwört Klaus auf Eschenholz: „Esche ist zäh und langfaserig. Wenn man es biegt, geht es wieder zurück.“ Ideale Eigenschaften für einen Ski. „Natürlich hängt es auch vom Wuchs des Baums ab,“ ergänzt Klaus, „aber das sehe ich dem Holz an. Ich schaff’ ja seit 40 Jahren mit Massivholz.“

Klaus an der Kreissäge. Er sägt Eschenholz in schmale Leisten.
Schreinerei: Klaus zersägt für den Ski-Kern Eschenholz in schmale Leisten.

Eigentlich arbeitet Klaus als Ausbilder in der Schreinerei eines nahe gelegenen Internats. Hier können die Schüler neben dem Abitur auch eine Schreinerlehre machen. Seine Freizeit verbringt Klaus im Schnee. Oder eben in seiner Werkstatt.

Klaus hat mittlerweile die Kreissäge angeworfen und schneidet eine Kerneschenbohle in acht bis zwölf Millimeter breite Leisten. Anschließend leimt er die Leisten in einer speziellen Anordnung wieder zusammen. Sind die Streben zu schmal, benötigt er mehr Leim. „Und das macht den Ski-Kern nur unnötig steif“, sagt Klaus.

Eine Leiste wird von der Maschine gehobelt.
Flug der Späne: Bevor Klaus die Leisten verleimt, lässt er sie durch die Hobelmaschine laufen.

Klaus’ Betriebsgeheimnis

Als wäre das nicht komplex genug, hat Klaus mal einen Ski gebaut, der sich der Außentemperatur anpasst. Denn morgens ist der Schnee auf der Piste noch hart, dann benötigt er mehr Stabilität. Nachmittags im Sulzschnee sei dann ein weicherer Ski gefragt. Aber wie geht das? Dazu verrät Klaus nur so viel: „In dem Ski steckt Material, das sich bei Wärme ausdehnt. Dadurch ändert sich mit der Lufttemperatur die Vorspannung, die Wölbung in der Ski-Mitte.“

Klaus mit dem Holzbett, das dem Ski sein Profil gibt.
Schieflage: In diesem Holzbett bekommen die Ski ihr Profil.

Dieses Profil macht Klaus in einer Art Holzbett. Darin wird der Ski Schicht für Schicht gestapelt, verklebt und schließlich gepresst. Das Holzbett ist – je nach gewünschtem Profil – an den Enden unterschiedlich stark erhöht. Dadurch bekommen die Ski beim Pressen ihre Form. Die Mitte des Holzbetts kann Klaus mit Keilen ebenfalls unterschiedlich stark anheben – je nachdem, wie viel Vorspannung der Ski erhalten soll.

Zwei Bilder von Klaus beim Fahren im Schnee. Natürlich mit selbst gemachten Ski.
Klaus in Whistler, Kanada (li.), und am Hintertuxer Gletscher, Österreich.

Die Idee, Ski selber zu bauen, kam Klaus zu Beginn der Zehnerjahre. 2013 besuchte er ein Skibauseminar. „Aber das war für mich als Schreiner nicht zufriedenstellend. Die Leisten im Holzkern waren nicht aus einem Stück gefertigt. Das geht nicht. Du kannst doch nicht den Wuchs vom Holz zertrennen!“ Aus solchen Sätzen klingt heraus, welchen Qualitätsanspruch Klaus an seine Ski stellt. „Als ich dann meinen ersten eigenen Ski ausprobierte, und der ging super, da war's um mich geschehen. Da wollte ich immer weiter.“

Stunde der Wahrheit

Jedes Jahr baut Klaus etwa sieben Paar Ski. Verkauft hat er noch nie einen. Nur verschenkt an gute Freunde oder an seine Lebensgefährtin Anke. Der Rest ist für ihn selbst. Wozu braucht ein Mensch Dutzende Paar Ski? „Ich mache ja die Ski nicht gleich, jeder ist anders. Und ich brauche bloß 200 Meter damit zu fahren, dann weiß ich, ob der Ski so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Außerdem habe ich immer neue Ideen.“ Im Winter 2020/21 zum Beispiel wagte sich Klaus auf unbekanntes Terrain: Tourenski. Weil man damit die Berge aus eigener Kraft besteigt, müssen sie besonders leicht sein. Deshalb verleimte Klaus neben Eschenholz auch Leisten von afrikanischem Abachiholz. „Das ist trotz seines geringen Gewichts recht steif. Und dadurch, dass ich es in Carbon eingepackt habe, kann es nicht brechen.“

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				Verschiedene Paar Ski mit unterschiedlichen Holzintarsien.

    Jedes Paar ein eigenes Dekor.

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				Werkstatt mit Hobelbank und Holzlatten darauf.

    Einen Teil seiner Werkstatt mit Hobelbank hat Klaus in der Garage.

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				Klaus fixiert die Schablone für die Ski auf eine Platte aus schwarzem Polyethylen.

    Klaus fixiert die Schablone, um den Belag zuzuschneiden.

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				Klaus trägt eine lange Holzlatte, den künftigen Skikern, in die Werkstatt.

    Klaus mit dem Holzkern aus zusammengeleimten Eschenleisten.

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				Messer und Stecheisen auf einer Hobelbank.

    Stanzen und schneiden: Die Werkzeuge für das Furnier hat Klaus zum Teil selbst entwickelt.

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				Großer Hobel aus Holz mit Holzspänen.

    Der Hobel ist eines seiner wichtigsten Werkzeuge.

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				Klaus schneidet Intarsien aus. Er hobelt den Holzkern der Ski.

    Sauberer Schnitt für die Intarsien. Mit dem Hobel verjüngt Klaus den Holzkern vorne und hinten.

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				Klaus wachst einen Ski.

    Das Wachsen ist einer der letzten Schritte, bevor es auf die Piste gehen kann.

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				Überschüssiges Wachs wird mit einer Klinge abgezogen.

    Klaus entfernt überschüssiges, erkaltetes Wachs mit einer Abziehklinge.

Nach dem Verleimen der Leisten verjüngt Klaus den Holzkern vorne und hinten mit der Hobelmaschine. Späne fliegen durch seine ansonsten picobello aufgeräumte Werkstatt. Letzte Feinheiten bessert er mit dem Putzhobel aus. Jetzt ist der Holzkern bereit. Doch für das eigentliche Zusammensetzen der Schichten benötigt Klaus die Hilfe seines besten Freunds Johannes. “Beim Laminieren ist keine Zeit zum Schwätzen”, sagt Klaus. Da muss es schnell gehen, weil das Harz rasch trocknet.

Klaus hobelt einen Holzkern an der Hobelbank. Vorn lieg Holzfurnier auf einem Tisch.
Während Klaus den Holzkern hobelt, liegt vorne das Holzfurnier für seine nächsten Ski bereit.

Danach widmet sich Klaus seinem Markenzeichen. All seine Ski sind im Holzlook gehalten, die Furniere zeigen unterschiedliche Farbtöne und Maserungen. Und wo gewöhnliche Ski das Herstellerlogo tragen, zieren Klaus’ Ski kunstvolle Holzintarsien. Zum Beispiel ein Ochsenkopf. „Das kommt vom Johannes“, erzählt Klaus und muss selbst grinsen. „Als ich mal einen Ski kaputt gemacht habe, meinte er, ich fahre wie ein Gewaltochs.“ Also dachte sich Klaus, seine nächsten Ski bekommen ein Ochsenkopf–Dekor.

Spannendes Nussbaumholz

Für sein aktuelles Projekt hat er sich lebhaft gemasertes Nussbaum-Furnier ausgesucht – und ein dreizackiges Muster. Diese Form muss er doppelt schneiden: einmal die Intarsie selbst und einmal als passgenaues Loch ins Deckfurnier.

Holzoberfläche mit halbfertigen Intarsien. Paar Ski mit Intarsien in Form einer Rose.
Bei den Intarsien ist eine ruhige Hand gefragt (li.) Die Rose zieren Ski, die Klaus für Anke gemacht hat (re.)

Die geraden Seiten stanzt Klaus mit einem selbstgebauten Stecheisen aus dem Furnier, Rundungen schneidet er mit dem Messer. „Bei den Intarsien gibt es schon einige Kniffs und Tricks“, sagt Klaus. Vor allem muss man sauber schneiden, damit die Holzfaser nicht ausreißt. Er zieht mit dem Messer eine weitere Kurve – so präzise und elegant wie ein Schwung im Tiefschnee.

Klaus stanzt mit dem Stecheisen Teile für die Intarsien aus.
Klaus stanzt mit dem Stecheisen Teile für die Intarsien aus.

Als seine Schüler vor ein paar Jahren erfuhren, dass er Ski baut, wollten sie auch. „Jetzt sind sie leidenschaftlich bei der Sache“, sagt Klaus und strahlt. Ein Schüler hat mehrmals anderen Unterricht geschwänzt, weil er nichts Anderes im Sinn hatte, als noch vor Weihnachten seine Ski fertigzustellen. Nach Abschluss des Projekts sind alle zusammen nach Tirol zum Skifahren. Und jeder, wirklich jeder seiner acht Schüler, ist mit seinem selbstgebauten Ski gut zurechtgekommen.

Sein neues Paar Ski wird Klaus demnächst fertigbauen. Für heute ist Feierabend. Klaus zieht noch ein fertiges Paar aus einem Versteck in seiner Werkstatt. Eine Rose rankt sich über beide Ski: “Die Anke mag Blumen so gern”, sagt Klaus, „den bekommt sie Ende November zum 50. Geburtstag, als Überraschungsgeschenk.” Zum perfekten Glück fehlt dann nur noch Pulverschnee satt.

Klaus mit einem Paar Ski im Arm in seiner Werkstatt.
Immer das nächste Paar Holzski vor sich: Klaus in seiner Werkstatt.

Text: Ingo Wilhelm | Fotos: Lara Freiburger

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