4. Eintrag: Die Kuppel-Krise

Lucas baut ein Baumhaus – mit durchsichtigem Kuppeldach und Hängebrücke – und hält alles in seinem Bau-Tagebuch fest. Einmal im Monat dürfen wir mitlesen.

4. Eintrag: Die Kuppel-Krise

Liebes Bau-Tagebuch,

lass mich mit dem Positiven beginnen: Das Polycarbonat für mein Kuppeldach ist inzwischen angekommen, und meine Helfer sind aus ihren Ferien zurück. Endlich! In rund zwei Tagen hatten wir die Bodendielen auf dem Fundament verlegt (etwas Frickelarbeit wegen der Äste) und das Geländer gebaut (minimiert die permanente Absturzgefahr erheblich, Sicherungsseile bleiben trotzdem dran). Lief alles glatt. Wir sind trotz Urlaubsunterbrechung eben doch ein eingespieltes Team, und weder Höhe noch Flaschenzüge können uns mehr schrecken. Zur Belohnung gab’s eine Hängematte, kurzerhand zwischen zwei Ästen eingefädelt. Hätten wir gewusst, was noch auf uns zukommen sollte, wären wir daraus vermutlich nicht so schnell wieder aufgestanden. Ich nenne es „die Kuppel-Krise“.

Was wir vorhatten: Kuppeldach am Boden auseinandermontieren, in den Baum schaffen, wieder zusammenstecken und mit Polycarbonat verkleiden. Der Plan war perfekt – wäre da nicht die Realität gewesen. Wir konnten die Kuppel im Baum nicht einfach wieder aufbauen. Zu viele Äste und Zweige im Weg. Streben weglassen war eine Idee, aber keine Option: Die Konstruktion wäre zu instabil geworden. Wir brauchten einen Plan B – der uns auch nach 24 Stunden Hirn-Zermartern nicht kam.

War das das Ende meiner Kuppel-Vision? Niemals! Der zweite Abend, mit einer Mischung aus völliger Resignation und den absurdesten Ideen, brachte am Ende eine zumindest in der Theorie sinnvoll wirkende Lösung hervor: die Kuppel nur zu zwei Dritteln aufbauen und vor den Stämmen eine Wand einziehen. Vielleicht eine Fachwerk-Konstruktion aus Kiefer oder Fichte. Witterungsbeständige Lärche als Verkleidung. Möglicherweise würden dort auch doch noch die liebevoll zugesägten Streben des übrig gebliebenen Kuppel-Drittels Verwendung finden.

Was zuerst nach schrägem Kompromiss klang, hatte bei näherer Betrachtung deutliche Vorteile gegenüber der Ursprungsidee: Es würde leichter werden, eine Tür in eine Wand einzubauen als in eine Kuppel aus dünnen Streben, die Terrasse wäre außerdem größer. Und der dekorative Aspekt: Es gäbe Platz für ein Wandbild. Den röhrenden Hirsch zum Beispiel. Ich hatte meinen Humor wiedergefunden.

Nach diesem Plan schlugen wir am Folgetag die Teil-Kuppel auf, sicherten sie mit Spanngurten, machten Feierabend mit einem Bier und dem guten Gefühl, unsere erste ernst zu nehmende Projektkrise bewältigt zu haben.

  • 
				Lucas Wahl, der sein eigenes Baumhaus baut, bekommt von seinen Freunden tatkräftige Unterstützung dabei, die Bretter für die Terrassendielen auf den Baum zu ziehen

    Die rund 40 Terrassendielen (4 Meter lang, 27 mm stark, 14,2 cm breit) für den Baumhausboden machten sich auf den Weg nach oben. Mal wieder mit dem Flaschenzug. Inzwischen eine der leichtesten Übungen für mich und meine Helfer

  • 
				Baumhausbauer Lucas Wahl macht das Bauen in ca. zehn Meter Höhe nichts mehr aus. Hier verschraubt er die Terrassendielen auf dem Fundament des Baumhauses – natürlich immer gesichert

    Ausmessen, zuschneiden, verschrauben: Dank der Äste und Zweige war das Verlegen der Bodendielen ein ganz schönes Gefrickel. Die Arbeitshöhe in zehn Metern tat ihr Übriges. Ohne Sicherungsseil ging nach wie vor nichts

  • 
				Eine Seite des Geländers für das Baumhaus in der Nähe von Hamburg steht – so können Baumhausbauer Lucas Wahl und seine Freunde zwischendurch kurz entspannen

    Der Anfang war gemacht: Das Geländer an der ersten Seite stand. Sich endlich mal anlehnen können, ein ungewohnter und willkommener Luxus im Baum. Die Sicherungsseile blieben trotzdem dran

  • 
				Lucas Wahl entspannt in der Hängematte und genießt die kurze Auszeit, bevor es mit dem Bau der Kuppel weitergeht

    Kräfte sammeln in der spontan montierten Hängematte. Wenn wir zu diesem Zeitpunkt schon das Desaster mit der Kuppel hätten kommen sehen ...

  • 
				Lucas Wahls Freunde halfen ihm dabei, die Kuppel für das Baumhaus wieder oben auf dem Baum aufzubauen

    Da waren wir noch guter Dinge: Wir hatten den Plan. Wir hatten die Kuppel-Bestandteile. Und machten uns motiviert (und etwas naiv) daran, die Halbkugel im Baum wieder zusammenzustecken. Bis die Realität uns einholte

  • 
				Nach 1 ½ Tagen Arbeit und einem Jahr Planung ließ sich die Kuppel für das Baumhaus nicht wie gedacht um die dicken Äste herum bauen

    1 ½ Tage Arbeit, ein Jahr Planung, alles für die Katz. Zu viele Stämme und dicke Äste machten es uns unmöglich, das Kuppeldach in Gänze aufzuschlagen

  • 
				Lucas Wahl lässt sich nicht entmutigen. Gemeinsam mit seinen Freunden plant er, nur zwei Drittel der Kuppel auf dem Baum zu befestigen und den Rest mit einer Wand zu verbauen

    Wo ein Wille, da ein Lucas. So schnell wollte ich meine Kuppeldach-Vision nicht aufgeben. Unsere Köpfe rauchten. Und brachten schließlich die Lösung: Wir bauten nur zwei Drittel der Kuppel auf. An die Stelle des letzten Drittels kommt einen Wandkonstruktion mit Tür

Im September sollte das Baumhaus ursprünglich fertig sein – das zumindest war der Plan. Wird wohl doch eher Oktober werden. Bis dahin halte ich Dich, liebes Bau-Tagebuch, über die Fortschritte auf dem Laufenden. Drück uns die Daumen, dass alles gut geht und die „Kuppel-Krise“ ein für alle Mal überwunden ist.

Lucas

Mehr zum Macher

Schlösser aus Scherben und Schotter, Monsterflöße, mobile DJ-Pulte, Lucas Wahl hat schon viel gesehen. Und im richtigen Moment auf den Auslöser gedrückt. Als Fotograf ist er seit den ersten Stunden für MACHER unterwegs. Mit dem Bau-Tagebuch zeigt er zum ersten Mal vor der Kamera, dass er selbst auch ein Macher ist.

Ein gezeichnetes Porträt von Lucas Wahl;

Wie es zum Baumhaus-Bau kam …

Als kleiner Junge baute ich mit einem Freund ein Baumhaus: Es wurde von den Nachbarskindern abgefackelt. Der Stachel saß tief, doch seit Juni ist Schluss damit: Ich baue an einem neuen Baumhaus, in jeglicher Hinsicht fernab vom Schema F. Schon der Baum, der es trägt, ist gigantisch: 25 Meter hoch. Es könnte keinen besseren geben für mein Projekt.

Text: Erzählt von Esther Acason | Aufmacher: STYMKY © Timm Paulick |
Fotos: Florian Manz, Julius Schrank, Sebastian Heidelberger, Lucas Wahl

Weiter machen